Wie lassen sich Erdöl, Container und jene Infrastrukturen denken, die unsere Gegenwart ermöglichen – meist, ohne dass wir sie bewusst wahrnehmen? In der aktuellen Folge unseres Podcasts spreche ich mit Benjamin Steininger und Alexander Klose, die gemeinsam das Forschungskollektiv „Beauty of Oil“ bilden. Im Zentrum steht die Frage, wie sich die Petromoderne, ihre Logistik und ihre materiellen Grundlagen theoretisch fassen und erzählerisch sichtbar machen lassen.
Ausgangspunkt des Gesprächs sind zwei Publikationen, die für die gemeinsame Arbeit der beiden zentral sind:
- Benjamin Steininger / Alexander Klose, Erdöl. Ein Atlas der Petromoderne, Matthes & Seitz Berlin 2020. Verlagsinformation: Matthes & Seitz Berlin
- Alexander Klose, Das Container-Prinzip. Wie eine Box unser Denken verändert, mareverlag 2009. Verlagsinformation: mareverlag
In den Shownotes sowie am Ende dieses Blogbeitrags finden Sie sowohl die Links zu den genannten Büchern als auch den Zugang zum Begriffsglossar.
Schlüsselbegriffe zur Folge
Container / Container-Prinzip
Standardisierte Box für Transport und Lagerung; zugleich Modell für serielle, modulare Organisation von Produktion, Städten und Wissen. Container werden als Kernmedium der Globalisierung und modernen Logistik verstanden. Auswahl_ÖL-esv2-87p-bg-47p
Containment
Allgemeines Prinzip des Einschließens und Modularisierens von Dingen und Prozessen – vom physischen Container über Sicherheitszonen bis hin zu Software-Architekturen.
Logistik
Die „dritte Säule“ neben Strategie und Taktik: Steuerung von Güterflüssen und Nachschub, historisch prägend für Armeen und heute für globale Konzerne (z. B. Walmart).
Infrastruktur
Oberbegriff für materielle und organisatorische Netze – Pipelines, Straßen, Häfen, Normen, Standards –, die Containerlogistik und Energieversorgung ermöglichen. Infrastrukturen erscheinen hier nicht als Hintergrund, sondern als historisch wirksame Akteure.
Petromoderne
Zeitalter, in dem Erdöl und seine Derivate Mobilität, Konsum, Kunststoffe, Kriegführung und Alltagskultur grundlegend prägen; die moderne Lebensweise ist tief petrochemisch verschaltet.
Erdöl / „schwarzes Gold“
Extrem komplexe fossile Materie und „Archiv vergangenen Lebens“, aus der Treibstoffe, Kunststoffe, Chemikalien und Pharmaka entstehen. Die reine Verbrennung ist nur eine sehr grobe Nutzungsform dieses Potenzials.
Forschungskollektiv „Beauty of Oil“
Gemeinsamer Rahmen von Steininger und Klose für Ausstellungen, Texte und den Atlas der Petromoderne, der ästhetische, technische und politische Dimensionen von Erdöl zusammenführt.
„Beauty and Horror of the Petrol Age“ / Trauerarbeit
Vorschlag, Erdöl sowohl als schöne wie als verhängnisvolle Grundlage unseres Wohlstands zu begreifen – und diese Ambivalenz bewusst zu betrauern, um das Erdölzeitalter hinter sich lassen zu können.
Raffinerie / Prozessraum
Schlüsselort der Petromoderne: eine hochkomplexe Prozesslandschaft, in der Rohöl chemisch veredelt und in Treibstoffe und petrochemische Grundstoffe übersetzt wird.
Molekulare Mobilmachung
Bezeichnung für die petrochemische „Aktivierung“ von Molekülen – aus Rohöl entsteht ein breites Spektrum von Stoffen, die moderne Mobilität, Kommunikation und Hochtechnologie tragen.
Skalierung / Maßstab (Scaling)
Methodischer Bewegungsraum zwischen Molekül, Raffinerie, Containerhafen, globalen Lieferketten und geologischer Tiefenzeit. Petromoderne wird nur verständlich, wenn diese Ebenen gleichzeitig mitgedacht werden.
Zombie-Technologien der Petromoderne
„Untote“ fossile Kriegs- und Infrastruktursysteme (Panzer, Artillerie, klassische Öl-Logistik), die trotz digitalem und Drohnenkrieg weiter bestimmend bleiben.
Petromelancholie
Stimmung, in der das absehbare Ende der petromodernen Überflussgesellschaft betrauert wird, während man noch mitten in ihr lebt.
Easy Oil vs. Tough Oil
Gegensatz zwischen leicht zugänglichem, billigem Öl der Frühphase und technisch/geopolitisch aufwendigem „Tough Oil“ (Fracking, Tiefsee, Konfliktregionen).
Atlas der Petromoderne (Atlas als Methode)
Buch und epistemische Methode, die Petromoderne über Karten, Bilder und Texte in verschiedenen Maßstäben und Regionen als vernetztes System sichtbar machen.
Fossile Wissenslandschaft / Anthropozän
Idee, dass nicht nur materielle Infrastrukturen, sondern auch Teile unseres Wissens (Hochenergiephysik, Raumfahrt, Digitalisierung) auf fossilen Energien beruhen und so das Anthropozän mitformen.